Auszug aus: Stebler F.G., „Die Vispertaler Sonnenberge", Jahrbuch der Schweiz, 56. Jahrgang, Schweizer Alpenclub, Bern, 1921          Inhaltsverzeichnis

 

Bewässerung (5): Das Sonntagwasser.

 

Das Sonntagswasser. - Die Emder Wasserleitungen. - Wässerregeln und Wässerarbeiten.

Das Wasser der Springerin und der Felderin gehört nach alter Übung an den Sonntagen der Kirche und wird jeweilen am vorangehenden Samstag vom Kirchenvogt zugunsten der Kirche zum Preise von 20 Rp. per Stunde während des Tages und 10 Rp. während der Nacht verkauft. Wenn Wassermangel herrscht, wie 1921, so ist die Nachfrage sehr gross; jeder möchte das Wasser zuerst haben, und mancher würde hierfür 5 bis 10 Franken für die Stunde bezahlen, denn hierdurch könnte er von einer Wiese vielleicht ein Klafter Emd mehr erzielen, das im Winter Fr. 150 Wert hat. Darum geht es bei der Verteilung des Sonntagwassers in der Gemeindestube oft sehr hitzig zu. Damit die Verteilung möglichst gerecht geschehe, wird das Wasser nach der Lage der Grundstücke verteilt. Die Besitzer der zu oberst an der Leitung liegenden Stücke kommen zuerst an die Reihe, und dann schreitet der Rang allmählich abwärts, bis schliesslich der Kehr bei den zu unterst an der Leitung gelegenen Grundstücken anlangt. Jede Haushaltung erhält in einem Turnus je nur eine Stunde Wasser von jeder Leitung. Im ganzen sind in der Gemeinde 130 Haushaltungen. Bis jede Haushaltung einmal an die Reihe kommt, dauert es also 130:24 = 5 bis 6 Sonntage. Aber nur diejenigen, welche die Gemeindelasten tragen, haben Recht auf das Sonntagwasser. Es beginnt am Samstag Abend mit dem «Schattengspon» und dauert bis Sonntag Abend bis zum «Schatten zum Bildji» = 23 1/2 Stunden. Die halbe Stunde vom Schatten zum Bildji bis zum Schattengspon wird nicht verkauft, sondern gehört dem folgenden im Kehr und gilt als Zeit zur Zufuhr zum Kehr. In nassen Jahren ist die Nachfrage nach Sonntagwasser weniger gross, besonders im Nachsommer. Mancher verzichtet dann auf sein Recht.

Bei der «Niwen» gehört auch am Sonntag das Wasser den Geteilen.

 

Die Emder Wasserleitungen und die Staldnerin.

Emd hat drei Wasserleitungen, die alle vom Emderbach gespiesen werden, der an der «Twerenfluh» das Wasser an die Niwe abgibt. Das Wasser des Emderbaches darf aber erst unterhalb der Aschepfi der Augstborderin von den Emder Wasserleitungen beansprucht werden. Der Emderbach erhält aber unterhalb der Wasserfassung der Niwen so reichen Zufluss durch Sicker- und Tagwasser, dass in normalen Jahren immer noch genügend Wasser zur Versorgung der tiefern Leitungen vorhanden ist und diese also nicht zu kurz kommen. Zunächst zweigt die Haslerin ab, etwas tiefer die Staldnerin und zu unterst die Jeusserin. Von diesen ist die Staldnerin gemeinsames Eigentum von Geteilen aus den drei Gemeinden Emd, Törbel und Stalden. In Törbel wird sie benützt zur Bewässerung der Grundstücke jenseits des Törblerbaches, hauptsächlich der Wiesen von der Schufla bis hinab ins Rijelli; dann fliesst sie den Törblerbach hinab und wird weiter unten bei Mühlebach wieder gefasst und in das Gelände von Stalden geleitet.

Da der Emdbach nach schneearmen Wintern eine unzuverlässige Wasseruelle ist und die Emder den Staldnern das Wasser streitig machten, verkauften 1921 die Geteilen von Stalden ihre 286 Stunden Wasserrecht an der Staldnerin im dreiwöchentlichen Kehr zu 29,000 Franken, also zu rund 100 Franken die Stunde, an die Gemeinde Emd. Stalden will nun von Eisten her an Stelle der Staldnerin das Gletscherwasser von der Saaser Visp nach Stalden führen, ein Wasser, das viel zuverlässiger und besser ist als das Schneewasser vom Augstbord.

Die Emder Wasserleitungen haben alle einen dreiwöchentlichen Kehr. Das Wasser ist eingeteilt in «Tagwasser», von 4 Uhr früh bis 8 Uhr abends, und «Nachtwasser», von 8 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. In der Benützung von Tag- und Nachtwasser wird abgewechselt. In gewöhnlichen Jahren hat Emd jedoch so reichlich Wasser, dass meist nur das Tagwasser verwendet wird. Des Nachts fliesst das Wasser unbenützt ab. Oft wird aber das Wasser der Haslerin, wenn die Geteilen es nicht nötig haben, in die tiefer gelegene Staldnerin geleitet und dann tiefer unten von Törbel und Stalden benützt.

 

Die Wässerregeln und Wässerarbeiten.

«Im Ustag früh afah, Im Herbst früh si lah!» lautet eine alte Wasserregel.

Im Frühjahr ist das Wasser viel «schwerer», d. h. gehaltreicher, als im Sommer und Herbst und nützt deshalb im Frühjahr mehr als später. In der Regel beginnt man mit der Wässerung nach der Schneeschmelze, Anfang April, und hört Mitte Herbstmonat auf.

Wenn der Herbst naht, so wässert man häufig nur am Tage und lässt das Wasser nachts vorbeifliessen. 

«Wer viel wässert, muss auch viel düngen», denn das Schnee- und Quellwasser magert den Boden aus.

«Wasser ist nicht Mist» heisst ein Bauernspruch. Je mehr man wässert, desto mehr muss man düngen.

In gewöhnlichen Jahren genügt es, wenn eine Wiese alle 10-14 Tage einmal normal gewässert wird, während bei Dürre sie häufiger bewässert werden sollte. Es gibt Wässermannen, die glauben, je mehr man wässere, desto besser sei es. Der übertriebene Wasserhunger ist ebenso nachteilig wie Wassermangel. Bei allzu starker und häufiger Bewässerung wird ein kraft- und saftloses Futter erzeugt, und an den steilen Halden wird der Boden zum Abrutschen gebracht.

Die Wässerung geschieht in der Weise, dass man von der Zuleitung her am obern Rande der geneigten Wiesenfläche einen horizontalen oder wenig geneigten Verteilungsgraben macht, über dessen untere Kante man das Wasser die Wiese hinunterrieseln lässt. Damit die ganze Breite der Wiese gleichmässig getränkt wird, schiebt man in kurzen Abständen 2-4 Steinplatten quer in den Verteilungsgraben. Wenn das Wasser nach der ersten Wässerplatte am untersten Ende der Wiese angelangt und die Wiese gut durchfeuchtet ist, wird die erste Platte herausgenommen. Dann bekommen die folgenden Platten mehr Wasser. Die herausgenommene Platte wird weiter unten in den Verteilungsgraben eingesetzt und so fortgefahren, bis der ganze Wiesenhang bewässert ist. Schnelles Wässern ist besser als langsames, weil im letztern Falle der Boden zu stark abkühlt. Hat die Wasserleitung wenig Wasser, so genügen in dem Verteilungsgraben 2-3 Platten, während bei einem grossen Wasserquantum und einem grössern Gefälle des Verteilungsgrabens 4-6 und mehr Platten nötig sind. Das Wässern ist nicht nur eine zeitraubende, sondern auch eine mühsame, ungesunde Arbeit. Man muss beständig in dem Wasser herumwaten, bekommt dabei grässlichen Durst, ohne dass man mit dem schmutzigen Wasser den Durst löschen kann.

Ist in der Wiese eine Erhöhung, auf welche das Wasser nicht hingelangt, so wird eine kurze Wasserzuleitung (ein «Schrapf») bis hierher gemacht, damit diese Stellen auch Wasser erhalten.

Wenn in erster Linie die Wiesen bewässert werden, so ist es gewöhnlich auch vorteilhaft, wenn man andere Kulturen bewässert, besonders die Kartoffeln. In trockenen Jahren würden dieselben auf trockenem Boden infolge Wassermangel ohne Bewässerung serbeln und zugrunde gehen. Sehr dankbar für die Bewässerung sind die Runkelrüben («Kraut»), der Kopfkohl («Kabus») und in trockenen Jahren die Weinberge. Weniger anspruchsvoll ist das Korn (Winterroggen), dankbar dagegen sind die «Langsifrüchte» (Sommergewächse) - die Grossbohnen, die Gerste und das übrige Sommergetreide überhaupt.


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